Die Entwicklung zur sexuellen Freizügigkeit Spezial

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Erotik und Sex sind Privatsache. Noch bis vor einigen Jahren bedeutete das: Auch wenn der Sex zahlreiche Facetten hatte, lebte man ihn privat im Schlafzimmer, vielleicht auch mal im Swingerklub. Ansonsten waren Themen wie Sex, Sexspielzeug und Masturbation ein gesellschaftliches Tabu, über das allenfalls hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde. Der Umgang damit hat sich mittlerweile deutlich verändert. Die „50 Shades of Grey“-Reihe war auch im klassischen Buchhandel ein riesiger Erfolg, im Eurovision Song Contest brillierte Conchita Wurst als bärtige, dabei aber nicht minder elegante Sängerin, und Podcasts, Reportagen und Filme der letzten Jahre taten ihr übriges, die Thematik deutlich zu entkrampfen.

Sextoys boomen wie nie zuvor

Heute muss niemand mehr in den düsteren Laden in der Bahnhofstraße gehen, um sich nach Sexspielzeug umzuschauen. Sicher hat auch dies dazu beigetragen, dass sich der Anteil der Menschen, die hierzulande Sexspielzeug benutzen, seit 2018 nahezu verdoppelt hat: Der Online-Kauf ist einfach, erlaubt den qualitativen wie preislichen Vergleich – und oft wird die Ware bereits am nächsten Tag geliefert. Dildos kaufen ist heute keine Sache mehr, die einem nervöse Schweißperlen auf die Stirn treibt. Männer wie Frauen stöbern mit einem ganz neuen Selbstverständnis durch Online-Shops, die mit ihrem freundlichen, aufgeräumten Ambiente für ein echtes Wohlgefühl bei den Käufern sorgen: Hier findet alles im hellen Licht statt, hier passiert nichts Anrüchiges oder gar Verbotenes. Jegliche Produkte, von Dessous bis hin zu Anal Dildos landen immer öfter im Warenkorb von Käufern aller Geschlechter.

Wer nutzt Sexspielzeug?

Auch nach aktuellen Zahlen ist der Vibrator für Frauen das meistverkaufte Sexspielzeug: etwa drei Viertel aller Frauen, die Sexspielzeuge benutzen, haben nach eigenen Angaben mindestens einen Vibrator. Dieser wird sowohl mit dem Partner oder der Partnerin als auch alleine eingesetzt. Anders verhält es sich bei den Männern. Zwar geben fast die Hälfte aller Männer an, Sexspielzeug zu benutzen (bei den Frauen sind es etwa 60 Prozent), doch vibrierende Toys scheinen Frauensache zu sein. Denn lediglich sieben Prozent der Männer nutzen nach eigenen Angaben ein solches Sexspielzeug zur eigenen Befriedigung. Generell wird das Spektrum aber breiter und die Bereitschaft immer größer, neue Sextoys auszuprobieren, ganz im Sinne der eigenen Befriedigung. Und zwar erfolgreich, wie sich statistisch belegen lässt: Männer wie Frauen, die mindestens schon einmal Sexspielzeug benutzt haben, sind insgesamt zufriedener mit ihrem Sexleben als die Vergleichsgruppe.

Porno? Ja bitte!

Die Pornographie wurde selbst im düsteren Sexshop vergangener Zeiten in die Schmuddelecke verbannt. Auch hier hat sich sehr viel verändert, wohl auch aufgrund der ständigen Verfügbarkeit. Während klassische Pornohefte zunehmende Absatzschwierigkeiten haben, boomt der Online-Markt mit pornografischen Bildern und Videos. Und das nicht nur unter den Männern. Zwar geben knapp 60 Prozent aller Männer freimütig an, beim Masturbieren Pornos zu betrachten. Aber auch mehr als die Hälfte aller Frauen bekennt sich dazu, mindestens schon einmal alleine einen Pornofilm angeschaut zu haben. Dass sogar 40 Prozent aller Paare gemeinsam Pornos konsumieren, ist ein weiteres Zeichen für eine neue Offenheit.

Nach wie vor sind zwar rund drei Viertel aller Pornokonsumenten männlich. Dennoch gibt es auch unter Frauen ein zunehmendes Interesse an Sexfilmen und entsprechenden Bildern. Daher wird diese Zielgruppe zunehmend angesprochen, wenngleich hier ein recht großer Nachholbedarf herrscht.

Unter dem Strich lässt sich festhalten: Die Gesellschaft wird nicht sexualisierter, aber unverkrampfter im Umgang mit Erotik und Sex. Diese neue Offenheit erlaubt es allen Menschen, die eigene Sexualität zu leben, ohne sich dabei in eine Schublade einsortieren zu müssen. Die Zeichen stehen also gut für eine tolerante, multikulturelle und multisexuelle Gesellschaft.
(Quelle für die statistischen Angaben: Statista.com)