Im Interview: Robert Sedlatzek-Müller – versehter Afghanistan Veteran Interview

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Robert Sedlatzek-Müller war Fallschirmjäger, Sprengstoffexperte und Hundeführer der Bundeswehr. Seit einer missglückten Entschärfung einer russischen Rakete im Afghanistan Einsatz, bei dem mehrere Soldaten ums Leben kamen, kämpft er mit den Folgen des Einsatzes – mit PTBS.

Warum bist du damals zur Bundeswehr gegangen?
Genaugenommen bin ich zur Bundeswehr eingezogen worden. Ich hatte meine Ausbildung als Koch gerade beendet und hatte in meinem Ausbildungsbetrieb einen sehr guten Posten angeboten bekommen. Ich habe mich darauf gefreut, auch um endlich etwas mehr Geld zur verdienen, als während meiner Lehrzeit. Als mir meine Einberufung dazwischen kam, war ich ehrlich gesagt alles andere als begeistert. Klar, ich hätte mich wahrscheinlich mit einem Kriegsdienstverweigerungsantrag vor meiner Wehrpflicht drücken können, aber das wollte ich nicht. Auch wenn es ungelegen kam, war ich schon damals davon überzeugt, dass es das Militär geben muss. Aus diesem Grund bin ich als Wehrdienstleistender zur Bundeswehr gegangen.

Würdest du es heute wieder tun?
Wahrscheinlich nicht. Da die Wehrpflicht abgeschafft wurde, würde ich meine Chance mich beruflich zu verbessern wahrnehmen. Ich bin auch der Meinung, dass der Anreiz dazu, freiwillig ein soziales Jahr abzuleisten, viel zu gering ist. Vielleicht muss ein Staat seine Bürger zu solchen Diensten verpflichten, damit jeder für sich erfährt, wie es ist, etwas für die Allgemeinheit zu tun. Mich erfüllt es damals wie heute mit großer Befriedigung und Stolz, mich für Menschen einsetzen zu können, die Hilfe benötigen.

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Am 6. März 2002 kommt es beim Versuch eine russische SA-3-Rakete zu entschärft zu einer Explosion bei der zwei deutsche und drei dänische Soldaten ums Leben kommen.

Seit deinem Einsatz kämpfst du mit den Folgen – PTBS. Wie wirkt sich das auf dein Alltag aus?
Das ist eine Frage, die in aller Kürze nicht verständlich zu beantworten ist. Grundsätzlich sind psychische Erkrankungen selbst für die betroffene Person selber nicht selbstverständlich als solche zu erkennen. Meistens kann ich mir selbst nicht erklären, weshalb ich in manchen Situationen, selbst nach meinem eigenen Empfinden, komisch reagiere. Ich kann es dann halt nicht anders. Heute weiß ich zumindest, worauf das abnorme Verhalten zurückzuführen ist. Natürlich ist es trotzdem sehr, sehr schwierig, damit zu leben. Für mich, aber auch für alle, die mich lieben. Wie kann man jemanden unterstützen, dessen Verhalten man nicht versteht? Ähnlich, wie in Familien mit körperlich behinderten Menschen, nehme ich eine Sonderstellung ein. Alle nehmen besondere Rücksicht auf mich. Ich will das gar nicht, aber ehrlich gesagt ginge es anders auch nicht. Daran gehen Familien kaputt. PTBS betrifft nicht nur den einzelnen Menschen. Es ist immer das gesamte soziale Umfeld, das mit der betroffenen Person unter dieser Erkrankung leiden muss. Das ist ziemlich abstrakt, ich weiß. O.K., dann werde ich konkreter. Es geht gerade auf Weihnachten zu. Viele Menschen die ich kenne zieht es auf den Weihnachtsmarkt. Geselligkeit, Glühwein und freundliche Unterhaltungen in entspannter Atmosphäre. Für mich bedeutet es hingegen absolute Alarmbereitschaft – wer ist hier unterwegs, was fällt aus dem Rahmen, wo könnte eine Sprengladung versteckt worden sein – mit mir auf den Weihnachtsmarkt zu gehen ist wahrlich kein Spaß. Für mich ist es eine lebensbedrohliche Situation mit absolut blutigem Ernst. Aber die anderen sind ja ahnungslos, völlig arglos. Ich will ihnen nicht die Freude verderben. Also spiele ich mit. Mache ein lustiges Gesicht, obwohl ich darüber nachdenke, was ich denn tun muss, wenn hier gleich Menschen mit abgerissenen Gliedmaßen herumliegen und panisch um Hife schreien. Unter ihnen vielleicht meine nächsten Angehörigen. Durch die Posttraumatische Belastungsstörung ist meine Wahrnehmung und in der Folgle mein Verhalten verändert.

Robert Sedlatzek-Müller und sein Hund Idor (der 2013 verstarb)

Robert Sedlatzek-Müller und sein Hund Idor (der 2013 verstarb)

Dein Hund Idor war mit dir im Einsatz und auch danach bei dir an deiner Seite, welche Rolle spielen Tiere bei der Behandlung von PTBS?
Tiere sind in vielen Fällen die Einzige Form von Nähe, die traumatisierte Soldaten zulassen. Im Umgang mit einem vertrauten Tier, gelingt es ihnen, den seelischen Schutzwall zu öffnen und Emotionen zuzulassen. Allein das ist ein Erfolg. Psychotherapeuten nutzen diesen Umstand gerne, um mit den Traumapatienten überhaupt erst Kontakt aufnehmen zu können. Auch im weiteren Verlauf der Therapie wirkten die Tiere, sei es ein Hund, Pferd, Delphin oder was es auf dem Gebiet sonst noch gibt, wohltuend und beruhigend auf die Patienten, wodurch sich schneller eine deutliche Verbesserung des Allgemeinzustandes feststellen lässt.
Die Resonanz, die ich im Gespräch mit anderen PTBS-Erkrankten bezüglich der Therapie mit Tieren bekommen habe, ist jedenfalls absolut positiv. Mir selber war mein Diensthund Idor auch eine unsagbar wertvolle Hilfe. Erst durch ihn habe ich damals erkannt, dass ich mich krankhaft verändert habe und er war es auch, der mich davon abgehalten hat, in manch verzweifelter Situation mein Leben einfach aufzugeben.

Zusammen mit dem Bund Deutscher Veteranen setzt du dich für eine bessere Versorgung traumatisierter Soldaten der Bundeswehr ein. Welche Erfolge habt ihr schon erreicht?
Der mit Abstand größte Erfolg ist sicherlich die Neufassung des Einsatzweiterverwendungsgesetzes. Dadurch steht Soldaten, aber auch anderen amtlich eingesetzten Personen, die durch einen Einsatzunfall einen massiven gesundheitlichen Schaden erlitten haben, eine deutlich bessere medizinische und soziale Unterstützung zu, als es vorher der Fall war. Ob sie diese Hilfe dann auch bekommen, wenn sie sie beantragen, steht leider auf einem gänzlich anderen Blatt. Daher ist die Beratung und Unterstützung von Soldaten und ihren Angehörigen eine Aufgabe, der ich mich als Gründungsmitglied vom Bund Deutscher Veteranen verpflichtet fühle. Grundsätzlich liegt die Verantwortung dafür beim Dienstherren, doch in der Praxis zeigt sich immer wieder, dass der Spieß oder der soziale Dienst vor Ort aus mangelnder Erfahrung nur unzureichend beraten kann. An sich muss die Beratung durch Fachpersonal erfolgen, ansonsten ist es ein learning by doing. Dass das ein beschwerlicher Weg ist, weiß ich aus meiner eigenen Geschichte. Erschwerend kommt hinzu, dass kein Fall dem anderen gleicht. Der Teufel steckt oft im Detail. Durch den Erfahrungsschatz, über den der Bund Deutscher Veteranen durch seine Mitglieder verfügt, können wir in den meisten Fällen helfen. Bei juristischen Fragen steht uns als Rechtsanwalt Arnd Steinmeyer zur Seite. Er hat bereits etliche Mitglieder unseres Verbandes erfolgreich vor Gericht vertreten.

Der Bund Deutscher Veteranen hat aber auch noch andere Ziele. Wir wollen in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Veteranen und ein Solidaritätsgefühl für unsere Soldaten im allgemeinen wecken. Deutschland braucht die Bundeswehr, um im Notfall in der Lage zu sein, seine freiheitlichen Grundrechte zu verteidigen. Sie sind keine Selbstverständlichkeit. In vielen Ländern erkämpft sich die Bevölkerung zur Zeit ihre Freiheit und zahlt dabei einen hohen Blutzoll.

In dem Buch „Soldatenglück: Mein Leben nach dem Überleben“ hat Robert Sedlatzek-Müller seine Geschichte aus Afghanistan und den Folgen für sein Leben danach aufgeschrieben.

Hat dir das Buch bei der Verarbeitung geholfen?
Ja, es hat mir sehr geholfen, da ich dadurch gezwungen war, mich nochmal gedanklich mit den Dingen zu beschäftigen, die ich sonst gerne verdrängt habe

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