Im Interview: Anett Sattler – 1,58m und dennoch eine feste Größe im Sport Interview
Anett Sattler ist vor allem Handball-Fans ein Begriff. Für den Sender SPORT1 ist sie an der Seite der Experten Stefan Kretzschmar, Henning Fritz und Daniel Stephan als Moderatorin in den Handball-Arenen Deutschlands unterwegs, führt dort durch die Sendungen und stellt den Sportlern nach der Schlusssirene die Fragen zum Spiel.
Als sie in der Handball-Szene debütierte, fragte sich Stefan Kretzschmar: „Hups, was macht der kleine Mensch hier?” Inzwischen ist Anett in der medialen Handball Welt voll etabliert.
Wie waren die ersten Male vor der Kamera für dich? Erinnerst Du dich noch an Dein erstes Spiel?
Anett Sattler: „Zum ersten Mal vor der Kamera stand ich im Mai 2009, allerdings nicht auf dem Handball-Feld sondern im Boxring. Ich war schon sechs Jahre beim Sender, hatte hunderte von Interviews im Fußball geführt – aber noch nie live. Bis auf einige Reporter-Schalten für „Bundesliga Aktuell“ hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Kamera- oder Moderationserfahrung. Dann kam es zur Live-Übertragung des Boxkampfes zwischen dem „Weißen Büffel“ Francois Botha und der „Deutschen Eiche“ Timo Hoffmann. Olaf Schröder, heute Chefredakteur von SPORT1, war damals redaktionell für Boxen verantwortlich und kannte mich vom Fußball. Nach einem kurzen Telefonat war alles geklärt. Dass ich 2006 für einen deutschen Boxstall in der Presseabteilung gearbeitet und etliche Boxkämpfe live gesehen hatte, war am Ende das Sahnhehäubchen. Für mich war es der Sprung ins kalte Wasser – und zwar vom 20m-Brett. Es hat mir sehr geholfen, dass ich die gesamte Woche vor dem Kampf täglich mit der Kamera bei den beiden Boxern Botha und Hoffmann war. Wir sind zu einem richtig guten Team zusammengewachsen und haben den Abend gerockt. Naja, fast…;-) Zumindest war es die erste Live-Moderation meiner Karriere und letztlich die Grundlage für alles, was danach kam. Nur ein paar Monate später sicherte sich der Sender nicht nur die Live-Rechte für die Handball-Bundesliga, sondern der Mutterkonzern Constantin Medien stieg mit LIGA total! auch in die Live-Berichterstattung der Fußball-Bundesliga und der Zweiten Liga ein. Bei beiden Projekten war ich aufgrund meiner Box-Moderation fortan mit an Bord. Meine erste Handball-Moderation hatte ich dann im September 2009 beim TuS N.-Lübbecke. Daran erinnere ich mich zwar nicht gerne, aber wahrscheinlich genau deshalb umso deutlicher. Für mich als ehemalige Handballerin war eines ganz klar: Das Parkett wird niemals und unter gar keinen Umständen mit Straßenschuhen und schon gar nicht mit Absätzen betreten. Darauf stand in jeder Halle, die ich in den 22 Jahren meiner aktiven Karriere kennengelernt hatte, die Höchststrafe. Also bin ich in Sneakers zu meiner ersten Handball-Moderation gekommen. Die Kollegen aus der Redaktion müssen wohl die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Dass Turnschuhe schon alleine aufgrund meiner Körpergröße nicht die schlauste Idee waren, das Ganze in Kombination mit dem sportlichen Outfit aber auch nicht sonderlich kameratauglich aussah, hat aber auch für Schmunzeln gesorgt. Der Weg vom „Hallenkind“ zur TV-Moderatorin war dann schon noch weit.
Was fasziniert dich am Beruf der Handball-Moderatorin?
Handball hat mein Leben von Anfang an dominiert. Mit vier Jahren hatte ich zum ersten Mal den Ball in der Hand – und seitdem hab ich ihn nicht mehr losgelassen. Geburtstage, Prüfungen in der Schule und private Dinge, ja sogar Krankheiten – alles wurde den Trainingszeiten in der Halle untergeordnet. Ich habe aber auch relativ schnell gemerkt, dass ich mein Potenzial weniger auf der Platte sondern mehr drumherum abrufen kann. Und die Vereinsverantwortlichen haben auch erkannt, dass in dem kleinen Zwerg ein ziemlich großes Organisationstalent mit einer noch größeren Leidenschaft für den Sport steckt. So wurde die Turnhalle schnell zu meinem zweiten Zuhause. Wenn ich nicht selbst gespielt oder trainiert habe, saß ich am Kampfgericht, habe meine Nachwuchsmannschaft trainiert, war mit den Kids bei Turnieren, habe die Presseberichte für den Verein geschrieben, selbst internationale Jugendturniere organisiert oder den kompletten Handball- Nachwuchs des Landes Brandenburg als Jugendsprecherin im Verband vertreten. 24 Stunden Handball, 7 Tage die Woche. Mit Beginn des Studiums und zeitgleich auch der Arbeit für SPORT1 (damals noch DSF) musste ich alle ehrenamtlichen Tätigkeiten aufgeben. In der zweiten Frauenmannschaft habe ich aber weiterhin gespielt. Im April 2009 war nach einer Verletzung dann auch damit Schluss. Aber der Handballsport ist nur kurze Zeit später in mein Leben zurückgekehrt, denn fünf Monate danach stand ich als Handball-Moderatorin vor der Kamera. Und damit habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt. Ich bin sehr dankbar, dass ich meine Leidenschaft für diesen Sport und meine Begeisterung für das journalistische Arbeiten kombinieren kann. Der Handball dominiert so auch weiterhin mein Leben.
Deutschland ist bei der Handball-EM 2014 nicht vertreten. Wird man dich mit SPORT1 dennoch vor Ort sehen können?
Dass die deutsche Nationalmannschaft im Januar nicht bei der EM antritt, mussten auch wir Fernsehleute erst einmal verdauen. In den vergangenen vier Jahren stand der Januar immer im Zeichen der Nationalmannschaft. Stefan Kretzschmar und ich waren seit der EM 2010 in Österreich immer vor Ort. Die Entscheidung, ob SPORT1 Spiele der EM in Dänemark überträgt, ist derzeit noch offen. Deshalb ist auch noch nicht klar, wo ich im Januar sein werde.
Welche Momente deiner SPORT1 Laufbahn sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Ich arbeite jetzt seit zehn Jahren für den Sender, da gab es etliche großartige Momente. Ganz vorne mit dabei sind natürlich die internationalen Handballturniere. Bei der EM 2010 in Österreich haben Stefan Kretzschmar und ich zum ersten Mal als Duo vor der Kamera gestanden. Es folgte 2011 die WM in Schweden, 2012 die EM in Serbien und zuletzt Anfang 2013 die WM in Spanien. Von Jahr zu Jahr sind wir redaktionell, aber vor allem auch menschlich immer mehr zusammen gewachsen und als Team besser geworden. Denn 2.000 Kilometer zusammen im Auto von Barcelona nach Berlin – das macht man ja nicht mit jedem. 😉 Stefan ist ein großartiger Mensch und ich bin froh, mit ihm arbeiten zu dürfen. Ein weiteres Highlight war das Handball-Allstargame in New York, das wir am 1. Januar 2012 live aus den USA übertragen haben. Silvester auf dem Times Square, das war schon gigantisch. Aber auch 2013 war ein Jahr mit besonderen Momenten. Im Juni habe ich für die EHF das Champions League Final Four in der Kölner Lanxess Arena moderiert. Viersprachig und vor 20.000 Zuschauern – ein absolut beeindruckendes Erlebnis. Im September stand ich gemeinsam mit Herbert Grönemeyer auf einer Bühne – diesmal vor 30.000 Fans. Mercedes Benz hatte mich für eine Veranstaltung als Moderatorin gebucht und ich habe erst lange nach der Vertragsunterzeichnung erfahren, dass Grönemeyer der Main-Act des Abends sein würde. Er ist einer der wenigen Helden meiner Jugend und ich war aufgeregt wie ein kleines Kind kurz vor Weihnachten. Und zuletzt natürlich der 3. Platz beim Herbert Award für die beste Sportmoderation. Immer noch unfassbar – und immer noch bin ich glücklich, stolz und dankbar. Das war eine riesige Überraschung für mich. Ein solches Feedback zu bekommen von den Menschen, denen wir Fernsehleute tagtäglich auf die Nerven gehen, von den Sportlern selbst, das hat mich sehr berührt.
Mit einer Körpergröße von 1,58 m hat Anett es bei den großen Handball-Spielern nicht immer leicht. Als Hilfe hatte sie sich deshalb ein kleines Holzpodest gebaut, das vor wenigen Monaten für die Spendenaktion „Handballer helfen“ versteigert wurde. Früher hat Anett auch selbst Handball gespielt, jedoch schon früh die Aufgaben am Spielfeldrand übernommen. Im Alter von 12 Jahren war sie bereits Jugendtrainerin und erledigte die Pressearbeit für ihren Heimatverein in Rangsdorf (Brandenburg).
Auf welchen Positionen hast Du selbst gespielt und bis wann warst Du noch aktiv?
Den größten Teil meiner 22-jährigen aktiven Handball-Karriere habe ich, ehrlich gesagt, auf der Bank verbracht. Als Mutter der Kompanie war ich immer zur Stelle, wenn jemand Eis für Verletzungen oder die Flasche Wasser brauchte. Darin war ich großartig. Auch darin, von außen zu erkennen, warum´s gerade nicht läuft. Allein an der praktischen Umsetzung haperte es am Ende. Ich war wohl eher der Handball-Denker. Wenn ich gespielt habe, dann auf Rechtsaußen (nein, ich bin keine Linkshand), frei nach dem Motto: Lieber Rechtsaußen, als gar nicht auf der Platte. Allerdings bin ich kurzzeitig ausgeschert. Für zwei Jahre hatte ich den Verein gewechselt, weil es in meinem Heimatort plötzlich keine zweite Frauenmannschaft mehr gab. In der neuen Mannschaft gab es niemanden für die Mitte. Da hat der Trainer dann gesagt: Kurze, du machst das. Wir haben meistens verloren, aber es hat riesigen Spaß gemacht, das Spiel zu führen anstatt auf der Außenposition zu verhungern. Es war eine großartige Zeit!
Wo trifft man dich wenn Du nicht in den Sporthallen Deutschlands Handballer interviewst?
Auf der Yoga-Matte, im Boxring oder auf dem Rad: Wenn ich gerade mal nicht den anderen beim Sport zuschaue und danach neunmalkluge Fragen stelle, dann versuche ich mich selbst zu sportlichen Höchstleistungen zu treiben. 😉 Ich habe im Sommer angefangen zu boxen und bin total begeistert. Zweimal pro Woche ziehe ich die Boxhandschuhe an – und ich liebe es! Darüber hinaus mache ich viel Yoga, Pilates und Qi Gong zum Auftanken. Außerdem Spinning und ein bisschen Fitness. Ich muss mich regelmäßig an meine körperlichen Grenzen bringen, habe aber auch die mentale Entspannung für mich entdeckt. Körper und Geist einfach mal komplett runterzufahren und quasi auf null zu setzen, das tut mir in meinem schnelllebigen Job unheimlich gut. Ich bin ja nicht nur Handball-Moderatorin und Fußball-Reporterin, sondern auch als Leiterin der SPORT1- Außenredaktion in Berlin nahezu ständig unter Strom und in Alarmbereitschaft. Vielleicht liegt´s auch am Job, dass ich privat kaum den Fernseher einschalte. Wenn er läuft, dann auf SPORT1. Aber ich liebe Bücher. Schon als Kind war ich eine absolute Leseratte. Mit zwölf wurde ich in der öffentlichen Bibliothek in meinem Heimatort in die Erwachsenabteilung versetzt, weil ich die Bücher der Kinderabteilung allesamt gelesen hatte. Und heute gleicht meine Wohnung einer Bibliothek. Ich verbringe immer noch unheimlich gerne viel Zeit auf meiner Couch mit einem guten Buch in der Hand. Und ich halte jedes einzelne in Ehren. Zuletzt hab ich den Debüt-Roman des Schweden Jonas Jonasson „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ gelesen. Ein Meisterwerk! Sein neustes Buch „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ habe ich erst vor kurzem erstanden und nun freue mich schon sehr auf den nächsten arbeitsfreien Tag.
Anett Sattler ist vor allem mittwochs ab 20:00 Uhr und sonntags ab 17:00 Uhr auf SPORT1 bei den Live-Übertragungen der DKB Handball-Bundesliga zu sehen. Mehr von Anett Sattler gibt es auch auf ihrer Facebook Seite.