Es ist eine Szene wie aus einem Film. Die Umgebung liegt im Dunkeln, es beginnt langsam zu dämmern. Die beiden Männer des Scharfschützenzuges der ersten Kommandokompanie beobachten das Gebäude jetzt schon seit mehr als 24 Stunden. Verborgen werden sie durch die Schatten der umliegenden Gebäude. Im Zielobjekt werden die Geiseln vermutet, unablässige Beobachtung muss unbedingt gewährleistet sein. Die Männer verständigen sich über Funk. Kurze, abgehackte Kommandos, die doch alle wesentlichen Informationen enthalten. Dann kommt der Befehl und die beiden Männer machen sich bereit. Zwei CH-53 Maschinen nehmen sie zusammen mit den anderen Mitgliedern der Kommandokompanie an Bord. Auch zwei Hunde mit Gehörschutz sind dabei. Sie sind ebenso vorbereitet wird die Männer, denen sie gehorchen. Fehler darf sich hier niemand erlauben.
Regelmäßige Übungen bereiten auf den Einsatz vor
Die Rede ist hier von den Elitesoldaten der KSK (Kommando Spezialkräfte), deutsche Soldaten, wie sie in Calw ausgebildet werden. Das Ziel dieser Einheiten ist der weltweite Einsatz in Krisengebieten. Dort müssen sie Informationen einholen, Zielpersonen oder Material sicherstellen. Weiterhin gehört auch die Rettung deutscher Staatsbürger im Ausland zu ihren Tätigkeiten, eben wie bei dieser Mission. Doch handelt es sich hierbei nur um eine Trainingseinheit, die sich jedoch von einer echten Mission kaum unterscheidet. Es existierten vier Kommandokompanien, die in einem regelmäßigen Turnus zwischen Ausbildungstraining und realem Einsatz wechseln. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Männer zu jedem Zeitpunkt voll einsatzbereit sind. Ausbildungsorte sind dabei über den gesamten Globus verteilt und fordern den Soldaten einiges ab. Wer hier mitmachen will, muss sich in vielerlei Hinsicht beweisen: KSK-Soldaten müssen nicht nur leistungswillig und motiviert, sondern auch stressresistent, charakterstark und diszipliniert sein. Jeder muss sich zu mindestens 100 Prozent auf den anderen verlassen können. Das fördert auch das Zusammengehörigkeitsgefühl. Während andere Dienstleistende sich in ihren wohlverdienten Feierabend begeben, ist der Tag für die KSK-Soldaten nämlich meist noch längst nicht zu Ende. Stattdessen müssen sie noch einmal nach draußen und ihre letzte Trainingseinheit absolvieren. Aber stören tut das die wenigsten: Kommandosoldat ist für sie schließlich eher eine Berufung als ein Beruf.
Zusammenarbeit mit den Unterstützungskräften
Die Soldaten des KSK wissen, was sie an ihren Verbündeten haben. Ohne die Unterstützungskräfte würden die Operationen nur selten so gut gelingen, die Verluste wären vermutlich um ein Vielfaches höher. Rangfolgen und Hierarchieebenen werden dabei schon einmal aus dem Auge verloren und können in den Hintergrund geraten. Gerade im Einsatz wird auf falsche Höflichkeiten schnell mal verzichtet: Wenn ein Leben auf dem Spiel steht, ist es egal, ob das Kommando von einem Ranghöheren oder einem Rangniedrigeren kommt, so lange das richtige Handeln zum Erfolg führt.
[imagebrowser id=31]Die Operation geht in die nächste Phase
Zurück zur Trainingseinheit und den Männern in den beiden CH-53. An zwei Seilen lassen sie sich lautlos zu Boden gleiten. „Fast Roping“ nennt sich dieses schnelle Herabgleiten an den Seilen. Sie haben es in der Grundausbildung gelernt. Dann wird das zweistöckige Gebäude umstellt und gesichert. Die Abläufe greifen reibungslos ineinander, jeder weiß, was er zu tun hat. Der zweite Zug der Kompanie nähert sich zu Fuß. Mit dabei sind ein sogenannter „Breacher“ und ein „Assaulter“. Der „Breacher“ sorgt dafür, dass die Tür geöffnet wird, damit die Kameraden möglichst ungefährdet in das Gebäude eindringen können. Danach wird gesichert. Anwesende Personen werden identifiziert und in Gewahrsam genommen, in einer zweiten Runde wird das Haus noch einmal kontrolliert, um alle Eventualitäten ausschließen zu können. Die Geiseln sind nicht hier. Der Forensiker begeht anschließend das Haus, sichert sämtliche Informationen und Beweise. Anschließend geht es für alle zurück zum Stützpunkt.
Anonymität ist ein Muss
Aufgrund ihrer Ziele und Missionen stehen die Männer der KSK ständig im Fokus feindlicher Aktivitäten. Aus diesem Grund ist es unabdingbar ihre Identität zu schützen. Einsätze werden geheim gehalten, Freunde und Familien nicht über ihre Aufenthaltsorte informiert. Doch damit muss man leben können, wenn man sich für ein Leben beim Kommando Spezialkräfte entscheidet. Es erfordert Hingabe und Risikobereitschaft.
Die Soldaten haben mittlerweile eine Auswertung der umliegenden Gegend erhalten. Fest steht nun, dass die Geiseln in einem alten Bahnhof festgehalten werden. Selbstverständlich steht auch dieses Gebäude wieder unter Beobachtung. Jede noch so kleine Bewegung wird registriert und weitergegeben. Am Abend soll der Zugriff stattfinden. In der Dämmerung, um Punkt 20 Uhr, nähern sich die Soldaten dem Zielobjekt. Der „Breacher“ macht sich erneut an die Arbeit und mit einer lauten Explosion verschafft die Kompanie sich Zutritt zu den Räumen. Die Soldaten teilen sich auf. Während die eine Gruppe die im oberen Stockwerk gelegenen Räume untersucht, verschafft sich die andere Gruppe Zutritt zu den Kellerräumen. Dort befinden sich auch die Gegner. Es kommt zu einem Schusswechsel, dann werden beide Gegner überwältigt.
Keiner wird zurückgelassen
Die Geisel wird entdeckt, sie ist mit einer Bombe verbunden, die hochgeht, sobald sie sich von ihrem Platz bewegt. Nach wenigen Minuten sind die Soldaten jedoch auch mit diesem Problem fertig geworden. Erleichterung macht sich breit. Heute war ein guter Tag. Die Mission wurde erfüllt, niemand wurde verletzt. Keiner wird zurückgelassen? – Ein Codex, nach dem die Männer operieren. Er gibt Halt und Sicherheit, auch wenn die Situation noch so brenzlig wird. Denn beim nächsten Mal ist es vermutlich keine Übung, sondern ein echter Einsatz, bei dem reale Menschenleben auf dem Spiel stehen.
Mehr Berichte zum Thema Spezialkräfte gibt es regelmäßig im Bundeswehr Magazin Y-Punkt
Guter Artikel